Wie der Haushalt der Natur sich in die Gesellschaft einbringt

Foto von Dr. Wilhelm Knabe
Foto von Dr. Wilhelm Knabe

Ein Gespräch mit dem Öko­lo­gen
Dr. Wil­helm Knabe.

Inter­view Bernd Gosau


Du kommst aus einem evan­ge­li­schen Eltern­haus und warst das sieb­te von neun Geschwis­tern. Wie hat dich das geprägt?

Am wich­tigs­ten war ohne Zwei­fel das Vor­bild mei­ner Eltern und Geschwis­ter. Zusätz­lich erga­ben sich Unter­schie­de je nach Ver­an­la­gung und Inter­es­sen. In den Wald oder ins Schilf am Rand des Gewäs­sers kamen die andern nicht mit. Jeden­falls wur­de ein Wochen­en­de zu Hau­se in Moritz­burg als zehn­mal schö­ner als im Inter­nat emp­fun­den. Gene­rell gilt wohl, dass sich eine Grup­pe schon nach kur­zer Zeit eine eige­ne Struk­tur gibt. Bei uns zähl­te schon die Auf­tei­lung nach Grö­ße. Wir waren 5 Gro­ße und 5 Klei­ne. Aber trotz­dem zusam­men nur Neun. Das klei­ne 1×1 schien für uns nicht zu pas­sen. In Wirk­lich­keit war es kin­der­leicht zu erklä­ren, denn unse­re Fünf­te in der Rei­he, Marie, war je nach dem Ange­bot ein­mal bei den Gro­ßen und danach wie­der bei den Klei­nen. Zusam­men eben immer Neun.

Wie defi­nierst du Öko­lo­gie?

In der Wis­sen­schaft ver­steht man unter Öko­lo­gie die Leh­re vom Natur­haus­halt und sei­nen Inter­ak­tio­nen. In der Poli­tik prüft man, ob sich die Gesell­schaft nach den Regeln einer nach­hal­ti­gen Wirt­schaft ent­wi­ckelt oder nicht.

Ein Zoll­stock spielt in dei­ner Bio­gra­phie „Erin­ne­run­gen – Ein deutsch-deut­sches Leben“ eine beson­de­re Rol­le. Welche?

Mein Zoll­stock ret­te­te 1979 die Grün­dung der Grü­nen NRW. Kurz vor der Abstim­mung rief ein Geg­ner der Grün­dung laut im Hin­ter­grund: “Die Öko­lo­gen sol­len raus­zie­hen!“. Da sprang ich auf, riss mei­nen Zoll­stock, den ich im Wald oft brauch­te, aus der Tasche, hielt ihn quer vor mich hin und rief: „Das hier ist eine Links-Rechts-Elle. Damit kannst du nur in einer Dimen­si­on den­ken und agie­ren. Bist du links, rechts oder in der Mit­te?“
Dann dreh­te ich den Zoll­stock blitz­schnell in die Ver­ti­ka­le und rief klar und bestimmt.: „Wir haben einen andern Maß­stab, den der Öko­lo­gie. In der Senk­rech­ten bil­den wir die Stel­lung des Betref­fen­den zur Erhal­tung des Lebens ab. Dann ist oben = öko­lo­gisch und unten = un- oder antiökologisch!“

Du hast dich dein gan­zes Leben mit Bäu­men befasst. Warum?

Bäu­me sind Lebe­we­sen, die man lieb­ge­win­nen kann. Sie altern wie wir Men­schen, doch sie schei­nen uns klü­ger zu ein. Sie ver­gif­ten nicht den Boden, in dem sie wur­zeln, son­dern nut­zen ihren Abfall als Bau­stoff und Ener­gie­re­ser­ve und geben dadurch einer rie­si­gen Zahl von Lebe­we­sen Stof­fe zur Wei­ter­ver­wer­tung. Es gibt vie­le Ver­gleichs­mög­lich­kei­ten zwi­schen Mensch und Baum wie etwa die Begren­zung des Wachs­tums bis zu einer vor­be­stimm­ten End­hö­he, die nur gering­fü­gig über­schrit­ten wer­den kann.

Die Fra­gen der Bäu­me
Wir ste­hen auf dem grü­nen Hügel und schau’n umher.
So vie­le schö­ne, grü­ne Bäu­me, am Ende quer
die Mau­er, die des Fried­hofs Rund umspannt,
doch neben mir steh’n Men­schen, besorgt, gebannt.

Wir schau’n genau­er, seh’n durch die lich­ten Kro­nen hel­len Schein.
Die Kin­der zei­gen auf die toten Bäu­me und sam­meln Blät­ter ein.
Wir ler­nen, wie der Saft im Holz auf­steigt und in der Rin­de fließt zurück.
Die Blät­ter zei­gen Leben und Ver­ge­hen, Stück für Stück.

Sie kla­gen an: „Wer hat uns so ver­gif­tet ganz ohne Not?“
Merkt Ihr denn nicht, dass Euer Leben auch bedroht?“
Sie fra­gen leis’: „Was tut Ihr denn dage­gen? Tut Ihr genug?“
Am Abend nehm’ ich auf die Fra­gen: „Tut wirk­lich Ihr genug?“

Wil­helm Kna­be 1984

Du bist beein­druckt von Gedich­ten und schreibst auch sel­ber wel­che. Her­mann Hes­ses „Stu­fen“ sind dir schon in der Gefan­gen­schaft begeg­net. Wel­che Rol­le spie­len die Dich­tung, die Musik und die Kunst ins­ge­samt bei dir?

Wir lasen in unse­rer Kind­heit an den Sonn­ta­gen nach­mit­tags, wenn Vater kei­ne Zeit hat­te, oft gan­ze Thea­ter­stü­cke mit ver­teil­ten Rol­len vor. Als Kin­der vor­zugs­wei­se leicht gefass­te Stü­cke wie den Trom­pe­ter von Säckin­gen für unser Mario­net­ten­thea­ter, spä­ter mit Vater zusam­men am Liebs­ten die Dra­men von Wil­liam Shake­speare. Da pas­sier­te jeden­falls etwas auf der Büh­ne. Hin­zu kam das sonn­täg­li­che Sin­gen, wenn Vater Zeit hat­te, uns auf dem Kla­vier zu beglei­ten. An Muse­en habe ich als Jugend­li­cher Aus­stel­lun­gen von Natur­ob­jek­ten sehr gemocht und ein­mal zum Ent­set­zen des Wäch­ters sogar ein aus­ge­stopf­tes Kro­ko­dil umarmt.

Lei­der habe ich infol­ge des Umzugs von Leip­zig nach Moritz­burg kein Instru­ment gelernt, nur den Schul­chor habe ich in jeder höhe­ren Klas­se regel­mä­ßig besucht, als Erwach­se­ner habe ich sogar in Rein­bek und in Mühl­heim einen Chor gegrün­det, als der alte sich auf­ge­löst hat­te. Die bil­den­de Kunst reiz­te mich anfangs nicht son­der­lich. Das änder­te sich schlag­ar­tig, als ich wohl 1946 die ers­te gro­ße Kunst­aus­stel­lung in Dres­den besucht hat­te. Otto Dix hat­te den Schre­cken des Krie­ges ein­präg­sam gezeigt. Mei­ne Lie­be zu den Expres­sio­nis­ten ist seit­dem unge­bro­chen, zumal eini­ge Bil­der direkt in Moritz­burg ent­stan­den sind.

Und was machst Du morgen?

Ich besu­che die jun­gen Öko­lo­gen im Umwelt­bil­dungs­haus in Tha­randt bei Dres­den, des­sen Grün­dung ich 1990 wirk­sam unter­stüt­ze hatte.


Das Umwelt­bil­dungs­haus führt Ver­an­stal­tun­gen über die Natur vor Ort, poli­ti­sches Han­deln und öko­lo­gi­sches Leben im All­tag durch. 

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