Unser Vorstandsmitglied Christa Möller-Metzger lehnt verpflichtende Tests für Autofahrer:innen entschieden ab, wenn solche Prüfungen allein ältere Menschen betreffen und sagt:

»Als ich 18 wurde, hab ich mich sofort zur Fahrschule angemeldet und hatte bald danach meinen Führerschein. Ich war noch Schülerin, als ich mir für 100 Mark ein Auto gekauft hab, das ich rosa anmalte und jeden Tag damit zur Schule fuhr. Für Auto und Versicherung habe ich gearbeitet, dreimal die Woche nach der Schule und getankt, meist für 5 Mark. Mehr war nicht drin.
Mein Auto war meine große Freiheit, bedeutete Erwachsensein und Selbstständigkeit. Dieses Freiheitsgefühl hat sich bei vielen Menschen aus meiner Generation bis heute gehalten. Ältere wollen einkaufen, zur Ärztin fahren oder die Enkel besuchen. Ohne auf jemanden angewiesen zu sein, der sie fährt.«
Mit dem Fahren aufzuhören, ist ein heikles und vielschichtiges Thema.
Die Forderung für verpflichtende Tests ab 60 oder 70 kocht aber in Wellen immer wieder hoch. Ältere Menschen sind jedoch nicht die Hauptverursacher von schweren Unfällen, das sind andere Altersgruppen. Das kalendarische Alter sagt wenig darüber aus, wie verkehrstüchtig jemand ist. Fortgeschrittenes Alter bedeutet nicht automatisch eine Steigerung des Unfallrisikos. Das hängt mit dem Auftreten von Krankheiten und der individuellen Leistungsfähigkeit zusammen.
Denn es gibt nicht die Alten, man muss differenzieren. Die Professorin Eva-Maria Kessler, die Mitte Dezember die neue Studie zu Ageism im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle vorgestellt hat, sagt:
»Wir müssen die Individualität von Menschen im höheren Lebensalter akzeptieren, anstatt sie primär als Mitglieder dieser Gruppe wahrzunehmen.«
Rund 1/5 aller Medikamente können z. B. einen Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit haben, auch Schmerz- und Erkältungsmittel sowie Anti-Allergika. Auch Diabetes kann sich auswirken und wenn ich Knieprobleme hab, klappt es nicht mit dem kraftvollen Bremsen.
Wir brauchen natürlich auch ganz dringend Alternativen zum Auto! Besonders wichtig sind On-Demand Systeme, damit mobilitätseingeschränkte Ältere den letzten Kilometer ohne Auto nach Hause schaffen. Das ist die Voraussetzung für einen Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn, der auf dem Land sicher noch schwieriger ist als in der Stadt.
Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Teilhabe. Dazu gehört, die eigene Wohnung zu verlassen. Das muss durch den öffentlichen Nahverkehr sichergestellt sein.
Ich finde, wir müssen das Thema Fahrtüchtigkeit mehr thematisieren, wir brauchen Informationsmaterial, das über Probleme und Lösungsmöglichkeiten verständlich und auf Augenhöhe informiert. Ärzte und Ärztinnen sollten mit Patient:innen mit entsprechenden Risikofaktoren vorsorgend darüber sprechen. Wir müssen auf die Möglichkeiten aufmerksam machen, wie man jetzt schon die Fahrzeugtauglichkeit überprüfen kann. Freiwillig, und ohne dass der Führerschein einkassiert wird. Das Angebot freiwilliger Checks muss ausgebaut werden.
Wenn wir Autofahren für so gefährlich halten, dass wir auf verbindliche Tests setzen wollen, dann bitte für alle Altersgruppen – und nicht nur für die Älteren, die die wenigsten Unfälle verursachen.
Verpflichtende Tests auf die Gruppe 60 oder 70plus zu beschränken, ist für mich ein klarer Fall von Altersdiskriminierung. Ageism ist ein Thema, über das in Deutschland noch sehr wenig geredet wird.
Am 24.01.2023 diskutierte Christa Möller-Metzger deshalb mittags bei der Hamburger Böll-Stiftung u. a. mit Dagmar Hirche von Wege aus der Einsamkeit e. V. und Barbara Wackernagel, Ex-Sozialministerin aus dem Saarland darüber. Die Podiumsdiskussion wurde online übertragen.
Mehr Infos zur Fahrtüchtigkeit unter: www.christa-moeller-metzger.de/2023/01/10/gruene-gegen-fahrtests-fuer-senioren