
In einem Seminar an der Universität Heidelberg diskutieren Studenten, Schüler und hochaltrige Menschen zentralen Fragen der Menschheit
Ein Blogbeitrag von Dr. Sonja Ehret, Altersforscherin an der Universität Heidelberg:
Das Geschenk des langen Lebens und der Wandel der Gesellschaft
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Lebenserwartung in europäischen Ländern immer mehr in Richtung der maximalen menschlichen Lebensspanne bewegt, die bei 120 Jahren liegen soll. 100-jährige werden 2050 zum statistischen Normalfall, das heißt, dass dann hierzulande jedes Altersjahrzent in etwa gleich vertreten ist. Der Philosoph Ernst Bloch sinnierte einmal wie folgt: Blühende Gesellschaften fürchten nicht im Altsein ihr Spiegelbild, sondern begrüßen darin ihre Türmer. Jedes Alter hat seine Bedeutung für die Gesellschaft und die Schätze des hohen Alters sind noch lange nicht gehoben. Wir fangen gerade erst an. So geschieht es nun, dass sich unsere Gesellschaft neu ordnet. Die Jugendzeit verlängert sich bis zum Alter 30, das Erwachsenenalter bis 75 oder gar 80 Jahren und danach tritt der Mensch in die Altersphase ein. Zeitenwende. Auch in der klassischen Verteilung von Bildung, Arbeit und Freizeit tritt ein Wandel ein. Nicht mehr die klassische Dreiteilung der Kinderspielzeit und Schulzeit, des Arbeitens und der Rentenzeit hat Gültigkeit, sondern flexible Lebensentwürfe, in denen sich Arbeit, Bildung und Freizeit mischen. Das schließt nicht aus, dass Kindheit nach wie vor eine eigene Lebensphase darstellt, genauso wie das hohe Alter. Übrigens beides sehr gut belegt anhand der sich entwickelnden Gehirnfunktionen.
Dennoch erhalten vor allem Arbeit und Bildung einen neuen Lebenszuschnitt, weil auch hier starke Wandlungsprozesse geschehen. Was ist gute Arbeit und was ist gute und ganzheitliche Bildung, wie uns Humboldt einst lehrte? Mit diesen Fragen werden wir uns in den kommenden Jahren beschäftigen müssen. Wie sieht diese Bildung in den einzelnen Lebensaltern aus und auch in ihrer intergenerationellen Form. Diese neue Art des Lernens wird noch viel zu selten praktiziert. Wir wissen aber von gesunden alten Menschen, dass der Wunsch, sich um nachfolgende Generationen zu sorgen, Erfahrenes weiterzugeben und einen aktiven politischen Beitrag zu leisten gerade in der Gruppe der Hochbetagten, also bei den 85–95-jährigen besonders ausgeprägt ist. In einem Seminar des Instituts für Gerontologie an der Universität Heidelberg widmen sich Studenten, Schüler und hochaltrige Menschen zentralen Fragen der Menschheit und führen Dialoge und Gespräche.
Herr S., 86, zu seinen jungen Schülern: Dieser Dialog ist ein Gehirntraining, er hat was. Ich wünsche Euch, dass ihr in meinem Aller noch genauso fit seid. Lasst Euch nicht unterkriegen. Es hat was für sich, sich zu unterhalten. Was haltet ihr davon, sich mit alten Knackern so zu unterhalten?
Schüler, 14: Also ich find, ich habe mich richtig gut gefühlt. Das hat gut getan, über diese Dinge zu reden.
Herr S.: Wissen ist Macht. Man darf sagen, was man denkt. Man muss nur vorsichtig denken.
Weitere Informationen gibt es hier.
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