Bewältigung der Corona-Pan­demie in der Pflege

Bewältigung der Corona-Pandemie in der ambulanten und der Heimpflege. Eine Zusammenstellung von Antonia Schwarz

Chris­ta Möl­ler | GRÜNE ALTE

Älte­re Men­schen und Men­schen mit Vor­er­kran­kun­gen haben ein höhe­res Risi­ko für schwe­re Erkran­kun­gen durch das neu­ar­ti­ge Coro­na­vi­rus SARS-CoV‑2. Das stellt sta­tio­nä­re Pfle­ge­ein­rich­tun­gen und ambu­lan­te Pfle­ge- und Betreu­ungs­diens­te aktu­ell vor gro­ße Herausforderungen.“ 

Bewältigung der Corona-Pandemie in der ambulanten und der Heimpflege

Der Pfle­ge­be­voll­mäch­tig­te der Bun­des­re­gie­rung, Andre­as Wes­ter­fell­haus, erklär­te in sei­ner Pres­se­mit­tei­lung vom 27.03.2020: „Älte­re Men­schen und Men­schen mit Vor­er­kran­kun­gen haben ein höhe­res Risi­ko für schwe­re Erkran­kun­gen durch das neu­ar­ti­ge Coro­na­vi­rus SARS-CoV‑2. Das stellt sta­tio­nä­re Pfle­ge­ein­rich­tun­gen und ambu­lan­te Pfle­ge- und Betreu­ungs­diens­te aktu­ell vor gro­ße Herausforderungen.“ 

Mit die­ser kur­zen Fest­stel­lung wird umris­sen, in wel­chem Feld die gro­ße Gefahr von stei­gen­den Todes­zah­len in der nahen Zukunft besteht. Zu den Vor­er­kran­kun­gen zäh­len vor allem Herz­kreis­lauf­erkran­kun­gen, Dia­be­tes, Erkran­kun­gen des Atem­sys­tems, der Leber und der Nie­re, Krebs­er­kran­kun­gen sowie Erkran­kun­gen, bei denen die Immun­ab­wehr abge­senkt ist, oft in Fol­ge von bestimm­ten Medi­ka­men­ten, die ein­zu­neh­men sind. Als beson­ders gefähr­det gel­ten auch Raucher:innen.

Chris­ta Möl­ler | GRÜNE ALTE

Vie­le Bun­des­län­der haben inzwi­schen ein Kon­takt­ver­bot oder eine deut­li­che Kon­takt­ein­schrän­kung für die Bewohner:innen von Pfle­ge­hei­men erlas­sen, die dar­auf hin­aus­läuft, dass pri­va­te Besu­che von außen etwa durch Ange­hö­ri­ge ein­ge­schränkt oder regle­men­tiert wer­den. In Pfle­ge­hei­men besteht die gro­ße Gefahr, dass sehr vie­le Bewohner:innen in kur­zer Zeit erkran­ken und dar­an ster­ben. Dies gilt umso mehr, wenn die Bewohner:innen an einer Demenz erkrankt sind und die Bewohner:innen Maß­nah­men zur Hygie­ne, Hus­te­n­eti­quet­te, zum Abstands­ge­bot und zur gene­rel­len Ein­schrän­kung von Kon­tak­ten sich weder mer­ken, noch sich dar­an hal­ten können.

Um die Ver­sor­gung auf­recht­zu­er­hal­ten, haben die Bewohner*innen viel­fäl­ti­ge Kon­tak­te mit Mitarbeiter*innen aus unter­schied­li­chen Berufs­grup­pen oder mit Bewohner:innen, die neu in der Pfle­ge­ein­rich­tung auf­ge­nom­men wer­den. In einem Pfle­ge­heim in Wolfs­burg sind 56 Bewohner*innen an Covid-19 erkrankt, 22 Bewohner:innen sind bereits ver­stor­ben, vier Bewohner:innen sol­len sich auf dem Weg der Bes­se­rung befin­den. Das Heim ver­fügt über ins­ge­samt 165 Plät­ze, es wer­den dort über­wie­gend Men­schen, die an einer Demenz erkrankt sind, betreut. In den Berich­ten des NDR wird nicht aus­ge­schlos­sen, dass die Bewohner:innen durch eine neu auf­ge­nom­me­ne Pfle­ge­be­dürf­ti­ge ange­steckt wur­den. Inzwi­schen konn­te eine räum­li­che Tren­nung zwi­schen der Grup­pe der Infi­zier­ten und der Nicht­in­fi­zier­ten vor­ge­nom­men wer­den. Für ganz Nie­der­sach­sen wur­de ein Auf­nah­me­stopp für Pfle­ge­hei­me verhängt.

Der natio­na­le Pan­de­mie­plan ent­hält Hin­wei­se, auf wel­che Schutz- und Hygie­ne­maß­nah­men die Pfle­ge­an­bie­ter ach­ten müs­sen. Die Tabel­le 4.2 auf der Sei­te 27 des Berichts ent­hält eine aus­führ­li­che Dar­stel­lung nicht-phar­ma­zeu­ti­scher, infek­ti­ons­hy­gie­ni­scher Maß­nah­men in Pfle­ge­hei­men, die auch für die ambu­lan­te Pfle­ge glei­cher­ma­ßen gelten.

Ent­schei­dend wird sein, dass die Trä­ger die Maß­nah­men kon­se­quent ein­hal­ten, die Beschäf­tig­ten dar­in geschult sind, genü­gend Zeit für die Umset­zung zur Ver­fü­gung haben und über eine aus­rei­chen­de Aus­stat­tung mit Mund-Nasen-Schutz (FFP2- oder FFP3-Mas­ken), Schutz­kit­tel, Schutz­bril­le und Hand­schu­he ver­fü­gen, ins­be­son­de­re wenn die pfle­ge­ri­schen Tätig­kei­ten einen engen kör­per­li­chen Kon­takt mit den Bewohner:innen erfor­der­lich machen. Bei sehr mobi­li­täts­ein­ge­schränk­ten und bett­lä­ge­ri­gen Pfle­ge­be­dürf­ti­gen ist ein Kör­per­kon­takt im Rah­men der Pfle­ge kaum ver­meid­bar. Nach allem, was in den Medi­en berich­tet wird, muss davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die genann­te Aus­stat­tung nur in Aus­nah­me­fäl­len vor­han­den sein dürf­te. In der Ver­gan­gen­heit war es eher sel­ten, dass die ent­spre­chen­de Aus­stat­tung erfor­der­lich war und finan­ziert wor­den ist. Schon allei­ne aus die­sem Grund, wird ein Groß­teil der Dienst­leis­ter bis­her kei­ne nen­nens­wer­te Aus­stat­tung vor­ge­hal­ten haben.

Chris­ta Möl­ler | GRÜNE ALTE

In der ambu­lan­ten pfle­ge­ri­schen Ver­sor­gung haben es die meis­ten Pfle­ge­be­dürf­ti­gen mit einer Viel­zahl von Pfle­ge­fach­kräf­ten zu tun, weil nur so eine Ver­sor­gung an sie­ben Tagen pro Woche unter Ein­be­zie­hung von Urlaubs­zei­ten und Krank­hei­ten rea­li­siert wer­den kann. Daher besteht auch in ambu­lan­ten Pfle­ge­set­ting die Gefahr, dass Men­schen ange­steckt wer­den kön­nen. Aus die­sen Grün­den wird es älte­re Men­schen geben, die sich mit dem Gedan­ken aus­ein­an­der­set­zen, ob sie die Pfle­ge­sach­leis­tun­gen noch in Anspruch neh­men wol­len. Aber eigent­lich ist die­se Opti­on nur rea­lis­tisch, wenn auf Alter­na­ti­ven aus­ge­wi­chen wer­den kann.

Nicht aus­zu­schlie­ßen ist ein wei­te­rer Anstieg des schon vor­han­de­nen Per­so­nal­man­gels in der Pfle­ge durch krank­heits­be­ding­ten Aus­fall von Pfle­ge­kräf­ten. Wenn kei­ne wei­te­ren Fach­kräf­te rekru­tiert wer­den kön­nen, wären die Ein­rich­tun­gen zu Ein­schrän­kun­gen in der Ver­sor­gung gezwun­gen. Wie sehr damit gerech­net wird, ver­deut­licht ein Papier der zustän­di­gen Sena­to­rin für Gesund­heit und Pfle­ge in Ber­lin zum Umgang mit Per­so­nal­eng­päs­sen zur Ver­sor­gung von Pfle­ge­be­dürf­ti­gen. Vor­ge­schla­gen wird eine Prio­ri­sie­rung von Leis­tun­gen in Abhän­gig­keit der indi­vi­du­el­len Situa­ti­on. Wenn die Per­so­nal­eng­päs­se zu extrem wer­den, kann nach mensch­li­chem Ermes­sen auch nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass beson­ders beim Auf­wand für Schutz­maß­nah­men gespart wird.
www.senioren-ratgeber.de/Coronavirus/Corona–was-ist-jetzt-mit-dem-Pflegedienst-557805.html

Inso­fern wer­den die Fach­kräf­te und die Pfle­ge­be­dürf­ti­gen noch mehr als bis­her zu Schick­sals­ge­mein­schaf­ten. Eine zu gro­ße Knapp­heit an Zeit, kann bei­den Sei­ten extre­men Scha­den zufügen.

Um die Kon­tak­te der Risi­ko­grup­pen zu vie­len Men­schen zu redu­zie­ren, wur­den fast über­all Tages­pfle­ge­ein­rich­tun­gen und Behin­der­ten­werk­stät­ten vor­erst bis nach Ostern geschlos­sen. In vie­len Fäl­len führt die Kon­se­quenz zu einer stär­ke­ren Belas­tung der Fami­li­en, die die feh­len­de Betreu­ung auf­fan­gen müs­sen. Für Pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge hat die Ver­brau­cher­zen­tra­le NRW Hin­wei­se ver­öf­fent­licht, wie damit ver­fah­ren wer­den kann, wenn die Tages­pfle­ge­ein­rich­tung schließt. Für Ange­hö­ri­ge, die in sogen. Schlüs­sel­po­si­tio­nen arbei­ten kann z. B. Ver­hin­de­rungs­pfle­ge durch Ver­wand­te, Freun­de, Nach­barn in Anspruch genom­men wer­den oder Ent­las­tungs­leis­tun­gen für eine stun­den­wei­se Betreu­ung bei den durch die Pfle­ge­kas­sen zuge­las­se­nen Anbie­tern (125 €/Monat).

Es gibt auch eine Video­an­lei­tung zum An- und Able­gen von Schutz­klei­dung für Pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge. Dies dürf­te aber in Pri­vat­haus­hal­ten kaum zu rea­li­sie­ren sein, schon allei­ne, weil die Aus­stat­tung (flüs­sig­keits­dich­ter Schutz­kit­tel, Atem­schutz­mas­ken FFP2, Schutz­bril­le, Schutz­hau­be, Ein­mal­hand­schu­he, Hän­de­des­in­fek­ti­on) für Pri­vat­haus­hal­te kaum zu besor­gen ist. www.youtube.com/watch?v=4MndZXEUQ1Y

Für drin­gend benö­tig­te Hilfs- und Pfle­ge­mit­tel wur­den ein­fa­che­re Rege­lun­gen mit den Kos­ten­trä­gern bis zum 31.05.2020 ver­ein­bart, um den Nach­schub von Hilfs­mit­tel (z. B. Geh­hil­fen, Lage­rungs­hil­fen, Inkon­ti­nenz­pro­duk­te etc.) zu gewähr­leis­ten, per Ver­sand zu ermög­li­chen, um per­sön­li­che Kon­tak­te zu ver­mei­den.
www.der-paritaetische.de/schwerpunkt/corona/corona-faq/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=12411&cHash=eee92c328709069b070deda1084cf48b

In Ber­lin hat die Senats­ver­wal­tung für Gesund­heit, Pfle­ge und Gleich­stel­lung dazu auf­ge­ru­fen, pfle­ge­flan­kie­ren­de Ange­bo­te aus­zu­bau­en (Besuchs­diens­te, Ange­bo­te zur Unter­stüt­zung im All­tag, Nach­bar­schafts­hil­fe), damit die häus­li­che Ver­sor­gung auf­recht­erhal­ten wer­den kann. Dem sind auch vie­le Bera­tungs­stel­len und Nach­bar­schafts­pro­jek­te gefolgt. Oft­mals bedeu­tet dies die kon­takt­lo­se Erle­di­gung von Ein­käu­fen, der Gang zum Arzt oder in die Apotheke.

Ins­ge­samt ist die Bereit­schaft in die­ser Not­si­tua­ti­on – auch gene­ra­ti­ons­über­grei­fend – zusam­men­zu­hal­ten sehr groß.

Chris­ta Möl­ler | GRÜNE ALTE

Drin­gend erfor­der­lich ist die Aus­stat­tung von Schutz­klei­dung und Schutz­mas­ken, die auch Arzt­pra­xen, Pfle­ge­hei­me, die ambu­lan­te Pfle­ge und für Pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge ein­schließt. Hier dürf­ten der Bedarf und der Man­gel sehr aus­ge­prägt sein. Wenn hier Abhil­fe gelin­gen wür­de, dann wäre dies ein wich­ti­ger Bei­trag um die Infek­ti­ons­ge­fahr zu sen­ken und Men­schen­le­ben zu ret­ten. Wir begrü­ßen daher auch die Initia­ti­ve der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on, sie hat unter dem Titel: „Alle Kräf­te bün­deln – mit einer Pan­de­mie­wirt­schaft Leben ret­ten“ u. a. „eine mas­si­ve Aus­wei­tung der Pro­duk­ti­on von Schutz­mas­ken, Schutz­klei­dung, natio­nal und euro­pä­isch, gefor­dert. Hier fehlt es an einer ent­spre­chen­den Koor­di­na­ti­on durch die Bun­des­re­gie­rung.“ Vor­ge­schla­gen wur­de außer­dem eine euro­pa­wei­te Daten­bank, „die den Bedarf von medi­zi­ni­schen Gütern in den ver­schie­de­nen EU-Mit­glieds­staa­ten erfasst.“ www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/corona/pdf/200331-AP-Pandemiewirtschaft.pdf

Anto­nia Schwarz

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