Älterwerden in Hamburg

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Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Anja Haj­duk (links) und Kreis­vor­sit­zen­de Jen­ny Jas­berg (rechts)

Jen­ny Jas­dorf, grü­ne Kreis­vor­sit­zen­de in Ham­burg-Ber­ge­dorf und Anja Haj­duk, grü­nes Mit­glied im Bun­des­tag, hat­ten ins Bür­ger­haus nach Ham­burg-Ber­ge­dorf ein­ge­la­den und begrüß­ten dort etwa 20 Gäs­te. Jen­ny wünsch­te sich für den Abend, dass wir das Trend­the­ma Demo­gra­fi­scher Wan­del run­ter­bre­chen könn­ten, auf kon­kre­te For­de­run­gen, die man im Bezirk umset­zen könn­te. Anja erzähl­te, dass sich der Bun­des­tag gera­de sehr mit dem Älter­wer­den der Gesell­schaft beschäf­ti­ge. Schließ­lich leben wir alle län­ger – und wol­len auch gut alt wer­den. Die Wäh­le­rin­nen schau­ten dar­auf, was die ver­schie­de­nen Par­tei­en für die Alten tun. Die The­ma­tik „Wie wird Pfle­ge orga­ni­siert?“ sei vie­len zum Bei­spiel wich­ti­ger als Arbeits­markt und Kli­ma­schutz. Dass wir mehr gute Pfle­ge­kräf­te bräuch­ten, wer­de gera­de im Bun­des­tag heiß dis­ku­tiert. Anja sprach sich für eine Abschaf­fung der Zwei­tei­lung in Kas­sen- und Pri­vat­pa­ti­en­ten aus und wünsch­te sich eine Bür­ger­ver­si­che­rung. Eine For­de­rung, die bei den Wähler*innen lei­der noch nicht so rich­tig ange­nom­men würde.

„Heißt Ihr wirk­lich Grü­ne Alte?“, woll­te die Haus­ärz­tin Anne-Marie 
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Geball­te Frau­en­power bei der Ver­an­stal­tung im Bür­ger­haus, von rechts nach links: Anne-Marie Stü­ven, Jen­ny Jas­berg, Anja Haj­duk, Lie­sing Lühr, Susan­ne Kutz und ich

Stü­ven wis­sen, die seit 19 Jah­ren in Ber­ge­dorf arbei­tet und als ers­te von vier Refe­ren­tin­nen an die­sem Abend über die medi­zi­ni­sche Ver­sor­ung im Bezirk reden woll­te. „Ist das nicht dis­kri­mi­nie­rend?“ Damit hat sie den Fin­ger natür­lich schon ein biss­chen in eine Wun­de gelegt, unser Name stößt ja bei vie­len Mit­glie­dern auf Kri­tik – und es gibt auch schon Über­le­gun­gen für eine Umbe­nen­nung… Susan­ne Kutz, von der Kör­ber­stif­tung wider­sprach jedoch vehe­ment, das Alter müs­se end­lich posi­ti­ver besetzt wer­den. Im Prin­zip hat sie natür­lich recht, aber ob das in abseh­ba­rer Zeit klappt…Die Ärz­tin Anne-Marie Stü­ven beklag­te, dass es zu weni­ge Haus­ärz­te gäbe, die meis­ten Pra­xen hät­ten schon einen Auf­nah­me­stop für neue Patient*innen, schlecht für Men­schen, die zuzie­hen. In ihrer Pra­xis erle­be sie täg­lich, dass alte Men­schen so lan­ge es geht, in ihren eige­nen vier Wän­den blei­ben möch­ten. Die Aus­wei­tung von drei auf fünf Pfle­ge­stu­fen wür­de das auch för­dern. Lei­der sei ein Umzug trotz­dem oft erfor­der­lich, da die meis­tern Häu­ser und Woh­nun­gen nicht bar­rie­re­frei seien.

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Etwa 20 Gäs­te dis­ku­tier­ten im Bür­ger­haus über das Älter­wer­den im Bezirk

Über Wohn­pro­jek­te sprach Lie­sing Lühr, Vor­sit­zen­de der Grü­nen Frak­ti­on in Ber­ge­dorf, die sel­ber in einem Wohn­pro­jekt lebt, im Gojen­bergs­weg. Zwei­drit­tel der Woh­nun­gen dort wer­den ver­mie­tet, ein Drit­tel ver­kauft. Der Genos­sen­schafts­an­teil, den jede*r bezah­len müs­se, betra­ge 250 Euro pro Qua­drat­me­ter; in man­chen Fäl­len hät­ten sich die Bewoh­ner zusam­men­ge­tan und Inter­es­sen­ten, die die­se hohe Sum­me nicht allein auf­brin­gen konn­ten, einen pri­va­ten Kre­dit gege­ben. Ein geeig­ne­tes Bau­grund­stück zu fin­den, sei oft gar nicht so ein­fach und kön­ne Jah­re dau­ern. Ein­fa­cher sei es meist umge­kehrt, man habe ein Bau­grund­stück und suche dann nach pas­sen­den Mitbewohnern.

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Mein Anlie­gen: die Alters­bil­der müs­sen sich ändern!

Als nächs­tes war ich als Spre­che­rin der Ham­bur­ger Grü­nen Alten dran mit posi­ti­ven Bei­spie­len für gesell­schaft­li­che Teil­ha­be. Ich wün­sche mir für ein gutes Mit­ein­an­der der Gene­ra­tio­nen ein posi­ti­ve­res Alters­bild – die skan­di­na­vi­schen Län­der sind schon viel wei­ter als wir, dort gibt es auch einen fle­xi­blen Ren­ten­ein­tritt und es wird in der Regel län­ger gear­bei­tet (in Schwe­den kann man bis 67, in Nor­we­gen sogar bis 75 arbei­ten). Älte­re wer­den als kom­pe­tent wahr­ge­nom­men und das Alters­bild ist ent­spre­chend positiv.

Da alle Men­schen einen Lebens­sinn brau­chen, suchen vie­le Rentner*innen Anschluss an die Gesell­schaft über ein Ehren­amt, etwa 22 Pro­zent ent­schei­den sich dafür. Es lohnt sich, ande­re zu fra­gen, ob sie eine Auf­ga­be über­neh­men wol­len, denn etwa 30 Pro­zent aller Älte­ren sagen: „Ich hät­te schon gern etwas gemacht, aber mich hat nie jemand dar­um gebeten.“

Ein wich­ti­ges Stich­wort für die Zukunft heißt „Caring Com­mu­ni­ties“: Men­schen über­neh­men Selbst­ver­ant­wor­tung, in Ergän­zung zum öffent­li­chen Sozi­al­sy­tem. Das kann im Klei­nen pas­sie­ren, durch Nach­bar­schafts­hil­fe oder im Gro­ßen durch Senio­ren­ge­nos­sen­schaf­ten. Der 7. Alten­be­richt hat gera­de dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Staat Mit­tel dafür zur Ver­fü­gung stel­len müsse.

Es gibt bereits vie­le Bei­spie­le für eine gelun­ge­ne Umset­zung, u.a. Ver­ei­ne, die Zeit­gut­ha­ben sam­meln, das sich bei Bedarf wie­der abru­fen lässt: für Besuchs- und Fahr­diens­te, Beglei­tung bei Behör­den­gän­gen, Arzt­be­su­chen, Haus­halts­hil­fe im Krank­heits­fall (Bei­spiel: Öcher Frönn­de, ein ein­ge­tra­ge­ner Ver­ein aus Aachen, der sich über 1 Euro/­Mo­nat- Mit­glieds­bei­trä­ge und Spen­den finan­ziert. Eine Hel­fer­stun­de ohne Gegen­leis­tung kos­tet 2 Euro.) Oder tat­säch­li­che Genos­sen­schaf­ten (Bei­spiel: KISS, keep it small and simp­le, aus der Schweiz). Ent­wi­ckelt haben sich auch Tausch­bör­sen für Arbei­ten, die jemand gut kann und die man gegen ande­re Arbei­ten ein­tau­schen möch­te (Bei­spiel: Senio­ren-Gemein­de Kro­nach in Franken).

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Das Bür­ger­haus ist bar­rie­re­frei, so dass alle teil­neh­men konnten

Zum Schluss erläu­ter­te Susan­ne Kutz, Geschäfts­füh­re­rin des „Haus im Park“/Körberstiftung, dass sie sich ja bis­her über­wie­gend um die Älte­ren geküm­mert hät­ten, jetzt aber das Ange­bot erwei­tern woll­ten. Altern und demo­gra­fi­scher Wan­del sei­en schließ­lich nicht nur ein The­ma für Alte, es gin­ge ja viel­mehr dar­um, das gan­ze Leben zu ent­zer­ren. Es gäbe eine neue Sand­wich-Gene­ra­ti­on, die Kin­der stu­die­ren und die Eltern benö­tig­ten Pfle­ge. Wir bräuch­ten fle­xi­ble­re Wochen­ar­beits­zei­ten, neue Lebens­mo­del­le, die dis­ku­tiert wer­den müssten.

Ein gelun­ge­ner Abend mit viel Input und guten Gesprächen!

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