Fahrradstadt für Jung und Alt?

Im leich­ten Nie­sel­re­gen hab ich erst­mal die Pro­ble­me, die älte­re Rad­fah­rer haben, umris­sen. Dann wur­de der Regen stär­ker – und wir fuh­ren los…

Das hat­te ich mir anders vor­ge­stellt, hat­te eher an einen son­ni­gen  Spät­som­mer­nach­mit­tag gedacht, an dem wir mit dem grü­nen Eis­mo­bil unse­re Rad­tour „Ham­burg – Fahr­rad­stadt für Jung und Alt?“ durch Wands­bek star­ten. Lei­der hat­ten wir den schlimms­ten Regen­tag der gan­zen Woche erwischt  – und wer kei­ne Top-Regen­klei­dung dabei hat­te, war nach kur­zer Zeit nass bis auf die Haut. Aber: Regen gehört nun mal zum Leben in Ham­burg. Und ich weiß jetzt, dass mei­ne Regen­ja­cke für Rad­tou­ren im Ham­bur­ger Regen nicht geeig­net ist…

Auf die Idee der Rad­tour kamen wir bei einer Sit­zung der Grü­nen Alten: Eini­ge von uns füh­len sich mit dem Rad ein­fach unsi­cher auf der Stra­ße, egal ob dort nun ein Rad­weg auf­ge­malt ist oder nicht.  Die Autos kom­men auf die­sen Strei­fen rela­tiv dicht – und so man­cher wünscht sich des­halb die alten Rad­we­ge auf den Bür­ger­stei­gen zurück. 

Rad­ex­per­ten vom ADFC set­zen dem ent­ge­gen, dass Rad­fahr­strei­fen zwar im ers­ten Moment Angst machen, im Prin­zip aber viel siche­rer sind als her­kömm­li­che Rad­we­ge. Auf denen fährt man ver­steckt zwi­schen par­ken­den Autos und Bäu­men. Beson­ders an Ein­fahr­ten und Kreu­zun­gen kommt es oft zu Unfäl­len, weil Autofahrer*innen nicht mit Rad­lern rech­nen. Im Win­ter wer­den die Rad­fahr­strei­fen zudem geräumt. Ich per­sön­lich sehe inzwi­schen auch durch­aus Vor­tei­le der Strei­fen, weil die Wege schön eben sind, man nicht über quer­lie­gen­de Baum­wur­zeln hop­peln oder Löchern aus­wei­chen muss, son­dern zügig ans Ziel kommt.

Unser grü­nes Eis­mo­bil war immer dabei!

 

 

 

Die gute Lau­ne blieb bis zum Schluss

 

Rich­ti­ge Regen­klei­dung ist alles!

 

Trotz­dem: Ein Schlen­ker ist leicht pas­siert, und eine beson­de­re Gefahr sind par­ken­de Autos, weil sich uner­war­tet eine Auto-Tür öff­nen kann (In Schwe­den ler­nen Fahr­schü­ler des­halb einen Spe­zi­al­griff, bei dem man als Fahrer*in mit der rech­ten Hand über die lin­ke Schul­ter die Tür öff­net und dabei auto­ma­tisch nach hin­ten schau­en muss und Rad­fah­rer recht­zei­tig bemerkt.)

In Ber­lin und in Ham­burg wer­den seit eini­ger Zeit wei­ße Fahr­rä­der auf­ge­stellt, die an töd­li­che Rad­un­fäl­le erin­nern sol­len. Unter den Todes­op­fern ist lei­der ein hoher Anteil älte­rer Men­schen. Und gene­rell gilt: Wenn älte­re Men­schen stür­zen, berap­peln sie sich nicht so schnell wie­der wie jün­ge­re und kom­men manch­mal gar nicht mehr auf die Beine.

 

Aber auch Eltern haben Angst, wenn ihre Kin­der ohne räum­li­che Abgren­zung von schnel­len Autos über­holt wer­den. Beson­ders schwie­rig: Kin­der, die vor und nach der Schu­le im Pulk nach Hau­se fah­ren. Oder wenn Eltern selbst mit den Kin­der-Anhän­gern auf schma­len Rad­strei­fen ganz dicht neben dicken Las­tern fahren.

Und das Ver­hält­nis zwi­schen Rad­lern, Auto­fah­rern und Fuß­gän­gern ist nicht kon­flikt­frei. Als ich beim Bezirks­se­nio­ren­bei­rat zum ers­ten Mal von mei­ner geplan­ten Rad­tour erzählt habe, bekam ich sofort den Auf­trag: Bespre­chen Sie unbe­dingt das Ver­hält­nis von Fuß­gän­gern und Rad­fah­rern, vie­le Rad­ler fah­ren so rück­sichts­los, dass man­che Älte­re Angst haben, vor die Tür zu treten.

Die geplan­ten Velo­rou­ten

 

Mar­tin Bill, ver­kehrs­po­li­ti­scher Spre­cher der Grü­nen in der Bür­ger­schaft,  ver­teilt Bio-Eis

 

Das The­ma Rad­fah­ren ist also mit vie­len offe­nen Fra­gen ver­bun­den –  des­halb haben wir Mar­tin Bill, den ver­kehrs­po­li­ti­schen Spre­cher der Grü­nen in der Bür­ger­schafts­frak­ti­on, gebe­ten, uns bei einer Rad­tour zu beglei­ten und dabei unse­re zahl­rei­chen Fra­gen zu beant­wor­ten. Außer­dem mit dabei: Ulf Diet­ze vom ADFC (All­ge­mei­ner Deut­scher Fahr­rad­club e.V.).

Ham­burg soll Fahr­rad­stadt wer­den – und wir radeln auf der geplan­ten Velo­rou­te 6, die aller­dings noch nicht aus­ge­schil­dert ist, weil sie noch nicht umge­baut wur­de. An unse­rem ers­ten Stop erfah­ren wir, dass die neu­en Rad­we­ge mit durch­ge­zo­ge­ner Linie Rad­fahr­strei­fen hei­ßen, die mit unter­bro­che­ner Linie sind Schutz­strei­fen. Manch­mal, wenn genug Platz da ist, haben sie auch noch einen extra auf­ge­mal­ten Abstand zum Bür­ger­steig, den soge­nann­ten Sicherheitsstreifen.

Das ist sowie­so der Dreh- und Angel­punkt der gan­zen Geschich­te: wie­viel Platz haben wir oder geben wir den Rad­lern? Je mehr Platz da ist, des­to brei­ter die Rad­strei­fen, des­to siche­rer füh­len wir uns und des­to bes­ser fließt der Rad­ver­kehr. Lang­sa­me Fah­rer rechts, schnel­le Biker über­ho­len links, alles auf dem geschütz­ten Strei­fen. 1.85 Meter ist die inzwi­schen fest­ge­leg­te Min­des­brei­te. Noch bes­ser sind 2.25 Meter brei­te Streifen.

Ulf Diet­ze vom ADFC hat­te infor­ma­ti­ve Fly­er dabei

 

Schma­le Wohn­stra­ßen sol­len spä­ter zu Tem­po 30 Zonen wer­den

 

Für Mar­tin steht fest: Rad­strei­fen ver­hin­dern Kon­flik­te zwi­schen Fuß­gän­gern und Rad­fah­rern, die eben­falls sehr böse für älte­re Men­schen aus­ge­hen kön­nen. Brei­te Fuß­we­ge sind wich­tig für die Sicher­heit. Für ihn sind Pro­tec­ted Bikela­nes, also Rad­we­ge auf der Stra­ße, die durch Blu­men­kü­bel, Pol­ler o.ä. geschützt und etwa 3 bis 3.50 Meter breit sind, die Zukunft. Bis wir das umset­zen kön­nen, ist es aber noch ein wei­ter Weg.

Wich­tig ist, dass Rad­strei­fen nicht beparkt wer­den. Um das zu ver­hin­dern, wur­de in Ham­burg ein spe­zi­el­les Park­raum­ma­nage­ment ein­ge­rich­tet; die dort ange­stell­ten Men­schen ach­ten nur dar­auf, dass in bewirt­schaf­te­ten Park­zo­nen rich­tig geparkt wird. Dafür haben Poli­zis­ten gar kei­ne Zeit.  Und das klappt super. Wer regel­mä­ßig auf­ge­schrie­ben wird, parkt nicht mehr falsch.

Schon jetzt nimmt der Auto­ver­kehr in der Innen­stadt kon­ti­nu­ier­lich ab, so Mar­tin. Park­platz­not, Staus und Car­sha­ring tra­gen dazu bei. Das wird in den nächs­ten 10 Jah­ren eine enor­me Dyna­mik bekom­men, davon ist Mar­tin überzeugt. 

Zum Schluss gab es einen hei­ßen Chai oder eine Scho­ko­la­de im Café May

Soge­nann­te Rad­schnell­we­ge wer­den erst­mal außer­halb der Stadt gebaut. Sie müs­sen sehr breit sein, etwa 4 Meter, ohne Auto­ver­kehr, so dass man schnell über Land fah­ren kann. 

In den Außen­ge­bie­ten von Ham­burg ist es lei­der (noch) so, dass dort nicht weni­ger, son­dern sogar mehr PKW zuge­las­sen wer­den als früher.

Gene­rell müs­sen wir unbe­dingt errei­chen, dass mehr par­ken­de Autos von der Stra­ße ver­schwin­den. Der Park­raum für PKW nimmt den Rad­lern den not­wen­di­gen Platz für mehr und brei­te Radwege. 

 

 

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